PKV-Beitragserhöhungen unrechtmäßig – jetzt Geld zurückholen?

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Björn Kotzan
11. September 2020
PKV-Beitragserhöhungen unrechtmäßig - jetzt Geld zurückholen?

PKV-Beitragserhöhungen unrechtmäßig - jetzt Geld zurückholen?

Im Internet und den sozialen Medien kursieren aktuell viele Meldungen über Klagen von Versicherten gegen die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen der privaten Krankenversicherung. Wir beleuchten die aktuellen Urteile und geben Rat, was nun zu tun ist.

Inhaltsverzeichnis

Kurz und knapp:
Worum geht es bei den Urteilen gegen die PKV?
Was sagen die Gerichte zu den Prozessen?
OLG Köln fällt ein Urteil gegen die AXA
LG Frankfurt fällt gegen die Barmenia ein Urteil
Warum raten Anwälte PKV-Versicherten zur Klage?
Warum wird der BGH die Urteile nicht bestätigen?
Haben Kunden diesbezüglich Geld von einem Versicherer bekommen?
Verjähren die Ansprüche gegenüber Versicherern?
Wird die Option der Klage auch zukünftig möglich sein?
Wird sich eine Klage gegen die Versicherer für Verbraucher lohnen?
Besser den Tarif wechseln als Klagen

Kurz und knapp:

Die Gerichte OLG Köln und LG Frankfurt haben Urteile erlassen, dass Beitragserhöhungen unrechtmäßig sein können. Den Klägern wurden Entschädigungszahlungen von 3.500 Euro und knapp 10.000 Euro zugesprochen. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig und werden vom BGH geprüft. Der Klageweg könnte nur lohnen, wenn eine Rechtschutzpolice vorhanden ist und der BGH bestätigt. An sich fallen die Klagen zum Großteil negativ für den Kläger aus. Durch die Kostenteilung lohnt eine Klage ohne Rechtschutzpolice vermutlich nicht. Wir zeigen, wie der aktuelle Stand ist, was zu beachten ist und beantworten die Frage, ob bereits Gelder an PKV-Kunden ausgezahlt wurden.

 

Worum geht es bei den Urteilen gegen die PKV?

Beitragserhöhungen müssen rechtlich einwandfrei begründet sein. Wird eine Beitragsanpassung nicht richtig begründet, könnte diese unwirksam sein. Der Versicherer nimmt dann den erhöhten PKV-Beitrag zu Unrecht ein und muss diese Mehreinnahme dem Versicherten erstatten. Soweit die Theorie. Praktisch sind die Beitragserhöhungen sachlich richtig kalkuliert und deshalb berechtigterweise durchgeführt. Es geht nicht um die Tatsache, dass es Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung gibt, sondern um formale Fehler in den Schriftstücken zur Beitragserhöhung. Wer feststellen will, ob auch bei seinen Beitragserhöhungen formale Fehler existieren, muss über einen Anwalt den Gang zum Gericht führen. Bisher mussten sich Kläger und Beklagte die Prozesskosten teilen. Deshalb wird eine Klage ohne Rechtsschutzversicherung keinen Mehrwert bringen.

 

Was sagen die Gerichte zu den Prozessen?

Bisher haben das Oberlandgericht (OLG) Köln und das Landgericht (LG) Frankfurt Urteile gefällt, welche den Klägern teilweise recht geben. Beitragserhöhungen könnten in der Vergangenheit nicht richtig begründet und deswegen unwirksam sein. Für beide Urteile wurde Revision zugelassen. Damit sind die Urteile nicht rechtswirksam. Es ist sehr sicher, dass der Weg zum Bundesgerichtshof (BGH) führt.

OLG Köln fällt ein Urteil gegen die AXA

Das OLG Köln hat gegen die AXA ein Urteil (AZ. 9 U 138/19) erlassen, dass Beitragserhöhungen in einem bestimmten Zeitraum unwirksam sein sollen. Aus dem Urteil geht hervor, dass nicht die gesamten Beitragserhöhungen unwirksam sind, sondern nur diese, welche einen bestimmten Teil und Zeitraum der Krankenversicherung betreffen. Der im Urteil genannte Zeitraum betrifft die PKV-Beitragserhöhungen vom 01.01.2014 bis zum 01.03.2019. Im Ergebnis wird die AXA dazu verurteilt, dem Kläger 3.588,45 Euro zuzüglich Zinsen der unrechtmäßigen Beitragserhöhungen zu erstatten. Interessant ist, dass das Verfahren mit einer Kostenteilung abgeschlossen wurde. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 55 % und die Beklagte zu 45 %. Eine Revision zu dem Verfahren ist zugelassen und erfahrungsgemäß wird die AXA diese Möglichkeit auch nutzen.

LG Frankfurt fällt gegen die Barmenia ein Urteil

Das LG Frankfurt (Az 2-23 O 198/19- Urteil noch nicht öffentlich) hat im April 2020 geurteilt, dass eine Beitragserhöhung der Barmenia unwirksam ist. Als unwirksamer Zeitraum wurde 2010 bis 2018 genannt. Die Höhe der Rückzahlung beläuft sich auf 9.771 Euro. Revision ist zugelassen und auch zu erwarten. Spannend ist die Verteilung der Verfahrenskosten. In diesem Fall muss der Kläger die Verfahrenskosten zu 56% tragen. Das bedeutet, dass der Klagefall mehrheitlich zulasten des Klägers geht. Der Kläger hat auch die Beitragserhöhungen für seine Tochter angezweifelt. Diese Klage hat das Gericht abgewiesen. Bei Kindern ist das Thema offensichtlich einfacher zu bewerten. Anders als das OLG Köln urteilt das LG Frankfurt, dass der Versicherer keinen Zinsschaden zu erstatten hat. Damit ist klar, dass der Versicherer keinen unrechtmäßigen Nutzen aus den Beitragserhöhungen gezogen hat. Die Erhöhungen waren notwendig und richtige berechnet.

 

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Warum raten Anwälte PKV-Versicherten zur Klage?

Nachdem die PKV-Versicherer den sogenannten Treuhänderstreit gewonnen hatten (…sind Treuhänder, welche die PKV-Beitragserhöhungen genehmigen, tatsächlich unabhängig?), ist diese Klagewelle als zweite Runde zu bezeichnen. Mittlerweile haben viele Anwälte PKV-Kunden als Geschäftsmodell erkannt und raten pauschal zur Klage gegen Versicherer. Über Internetforen werden über sogenannte Affiliate-Links Werbeanzeigen mit markigen Aussagen geschaltet. Es wird von einem Erdrutschsieg gesprochen, oder dass Kunden bis zu 10.000 Euro zurückerhalten. Nehmen wir die ersten beiden Urteile, werden die Kläger ohne Rechtschutzpolice keinen Gewinn erzielt haben. Ohnehin kann nur ein Gewinn als Kunde erzielt werden, wenn die Urteile vom BGH rechtskräftig bestätigt werden. Darum haben bisher nur vertretenden Anwälte etwas gewonnen. Vermutlich wird das auch so bleiben. Die Barmenia argumentiert richtig, dass Beitragserhöhungen nicht leichtfertig durch Formfehler annulliert werden dürften, weil das zu einer Vertragsstörung führen kann. Weitreichende Nachteile für Versicherte und Versicherer würden die Folge sein.

 

Warum wird der BGH die Urteile nicht bestätigen?

Natürlich, auf hoher See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand. Trotzdem spricht alles dafür, dass der BGH diese Urteile nicht bestätigen wird.

Zum einem sind die Beitragserhöhungen notwendig, um den medizinischen Fortschritt versichern zu können. PKV-Tarife können nicht die Leistungen kürzen. Anders als die gesetzliche Kasse sind die Leistungen gesetzlich geschützt. Durch die steigende Lebenserwartung (wir leben länger und brauchen länger ärztlichen Behandlung) und durch die Kostensteigerungen des medizinischen Fortschritts muss ein Versicherer die Beiträge erhöhen dürfen.

Zum anderen können ältere oder kranke Versicherte den PKV-Versicherer nicht mehr wechseln, ihnen bleibt nur der PKV-Tarifwechsel innerhalb ihrer Gesellschaft nach §204 VVG. Sollte der BGH diese Urteile bestätigen, wird es zu deutlichen Verwerfungen in der Beitragskalkulation kommen. Damit könnten Millionen PKV-Versicherte nachträglich starke Beitragserhöhungen erhalten. Kein Gericht kann zulassen, dass aufgrund marginaler Formfehler Versicherte Nachteile erleiden.  

 

Haben Kunden diesbezüglich Geld von einem Versicherer bekommen?

Uns ist kein Fall bekannt, bei dem ein Kunde Geld von einem Versicherer zurückbekommen hat. Weder durch einen Vergleich im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung noch durch ein rechtskräftiges Urteil. Vermutlich wird ein Vergleich ohnehin niemals zustande kommen. Es ist zu erwarten, dass sich eine Vergleichsbereitschaft in Lichtgeschwindigkeit rumspricht und deshalb wäre damit nichts gewonnen von Seiten der Versicherer. Diese Fälle werden bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gehen und dort final entschieden. Es ist auch völlig offen, wie sich die Rückerstattung auf zukünftige Beitragserhöhungen auswirkt. Angenommen, die AXA muss jedem Kunden aufgrund von Formfehlern 5.000 Euro erstatten, dann muss die AXA dies aus Ihren eigenen Rücklagen bestreiten. Die Ausgaben sind aber tatsächlich für medizinische Behandlungen gemacht worden. 

 

Verjähren die Ansprüche gegenüber Versicherern?

Laut BGB §195 beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit dem Zugang des Beitragserhöhungsschreibens. Damit sind pauschal alle Erhöhungen vor 2016 verjährt. Allerdings gibt es noch kein finales Urteil vom BGH und deswegen gilt in jedem Fall die Einzelbetrachtung. Auch das LG und OLG haben längere Zeiträume betrachtet. Der BGH wird aber das Thema ganzheitlich betrachten und dann entscheiden, was richtig ist.

 

Wird die Option der Klage auch zukünftig möglich sein?

Nein. Die privaten Krankenversicherer haben in den letzten drei Jahren Ihre Beitragserhöhungsschreiben komplett angepasst. Deshalb besteht abweichend von vielen Werbeaussagen nur rückwirkend eine Möglichkeit.

Gerade solche Werbeaussagen, wie aus diesem Beispiel dienen dazu, Kundendaten zu sammeln. Es wird keine zukünftige Erhöhung abgewehrt. Beide Urteile beziehen sich auf die Vergangenheit.

Bildausschnitt einer zwielichtigen Kundenfänger Werbung

  • Der Hinweis „gesponsert“ zeichnet eine Werbung aus.
  • Beide Urteile sind nicht rechtskräftig, deshalb wurde auch nichts abgewehrt.

 

Wird sich eine Klage gegen die Versicherer für Verbraucher lohnen?

Wir erwarten, dass der BGH diese Klagen abweist und zukünftig eindeutig regelt, welche Umstände in Erhöhungsschreiben mitgeteilt werden müssen. Deshalb wird sehr sicher kein Geld an PKV-Versicherte ausgezahlt. Wenn es schlecht läuft, riskieren Versicherte den Versicherungsschutz der Rechtsschutzversicherung. Manche RSV-Anbieter haben eine Fallbegrenzung von zwei Klagen in den allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung sind immer ärgerlich und schwer nachzuvollziehen. Trotzdem sind diese Erhöhungen notwendig, um die Krankheitskosten des Versicherungskollektivs zu decken. Muss ein Versicherer diese Erhöhungen zurückzahlen, muss auch eine Gelegenheit geschaffen werden, das Geld trotzdem einziehen zu können. Geld auszahlen, um Geld einziehen zu können erzeugt zusätzliche Kosten. Ein weiterer Grund die Klagen als BGH abzulehnen. 

 

Besser den Tarif wechseln als Klagen

Die Klagen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durchkommen. Aber es gibt eine andere gute Möglichkeit, die Beitragslast zu senken. Nutzen Sie Ihr Recht, auf einen PKV-Tarifwechsel nach §204 VVG innerhalb ihrer Gesellschaft. Sie können teilweise sogar Ihre Leistungen verbessern. Gerade langjährig Versicherte haben gute Möglichkeiten, in einen jüngeren und günstigeren Tarif bei ihrem Krankenversicherer zu Wechsel. Wir helfen dabei gerne weiter und einen Anwalt brauchen Sie dafür auch nicht.  

Wenn Sie Fragen dazu haben, freuen wir uns von Ihnen zu hören. 

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