Ab wann gilt man als berufsunfähig?

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Susanne Schimke
27. November 2018

Ab wann gilt man als berufsunfähig?

Ganz einfach vom Namen abgeleitet, könnte eine Definition für Berufsunfähigkeit (BU) lauten, dass man seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. So einfach ist es aber nicht. Vielmehr spielen hier auch Faktoren wie die noch leistbare Arbeitszeit oder das verbliebene Aufgabenspektrum (Fähigkeiten) hinein. Schwierig ist es schon allein deshalb, weil die verschiedenen Leistungserbringer unterschiedliche Auffassungen von Berufsunfähigkeit haben. Hier erfahren Sie unter anderem, ab wann man als berufsunfähig gilt, wer besonders davon betroffen ist, welche Ursachen für Berufsunfähigkeit aktuell bestimmend sind und wie eine BU festgestellt wird.

Burnout, Bandscheibenvorfall oder Treppensturz. Häufig geht der Berufsunfähigkeit ein Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit voraus, wenn nach schweren Krankheiten oder einem Unfall eine dauerhafte Beeinträchtigung bleibt. Ob es sich um eine Berufsunfähigkeit handelt, entscheiden die jeweils verantwortlichen Stellen.

 

Der gesetzliche BU-Schutz ist der Deutschen Rentenversicherung zugeordnet. 2001 wurde die gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente von der zweistufigen Erwerbsminderungsrente abgelöst. Hierzu ist im SGB VI § 43 unter anderem geregelt, dass eine volle Erwerbsminderung besteht, wenn der Versicherte weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kann und eine teilweise Erwerbsminderung besteht, wenn die Versicherten mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden arbeiten können. Für die Überprüfung der Erwerbsminderung ist der vorher ausgeübte Beruf unerheblich. Sollte also festgestellt werden, dass ein Akademiker eine „niedere Tätigkeit“ für drei bis 6 Stunden verüben kann, erhält er nur die teilweise Erwerbsminderungsrente.

 

Wann werden die meisten Versicherten berufsunfähig?

Die altersbezogene Verteilung für den Einstieg in die Berufsunfähigkeit ist interessanterweise nicht linear, sondern zeigt besondere Spitzen. So werden 20% der Versicherten im Alter zwischen 35 und 45 Jahren berufsunfähig. Am höchsten sind die Quoten mit 26 und 27 Prozent bei der Gruppe zwischen 51 bis 55 Jahren beziehungsweise 56 bis 60 Jahren. Dazwischen gibt es einen Knick nach unten, weil unter den 46 bis 50-Jährigen nur 16 Prozent berufsunfähig werden.

 

Anders sieht es in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung aus. Hier regelt das Versicherungsvertragsgesetz seit 2008, ab wann man als berufsunfähig gilt. Grundsätzlich erhalten Versicherte immer dann eine BU-Rente, wenn eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent vorliegt. Die Rechtsgrundlage findet sich im § 172 Versicherungsvertragsgesetzes (VVG).

 

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Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.

 

Konkreter wird es in den individuellen Versicherungsbedingungen. Hier steht oft eine Formulierung wie: Berufsunfähigkeit ist dann der Fall, wenn der Betroffene seinen aktuellen Beruf zu 50 Prozent nicht mehr ausüben kann.

 

Bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es also keine feste 6-Stunden-Grenze wie bei der Deutschen Rentenversicherung. Vielmehr prüft der BU-Versicherer, ob man die damaligen Tätigkeiten noch ausüben kann. Falls der Versicherte das zu mindestens 50 Prozent nicht mehr kann, wird er in der Regel als berufsunfähig eingestuft.

 

Ursachen für Berufsunfähigkeit

Quelle: Morgen & Morgen 2014

 

Im Vergleich zu früheren Erhebungen fällt auf, dass der Anteil der psychischen Erkrankungen deutlich angestiegen ist, was ihnen diesen unrühmlichen Spitzenplatz sichert. Dennoch fallen in Summe physiologische Beschwerden stärker ins Gewicht. Nicht überraschend dürfte daher, dass vor allem körperlich schwere Berufe wie Dachdecker, Krankenpfleger, Schlachter, Tiefbauer, Maurer, Maler vor eher mit psychischem Stress behafteten Berufen wie etwa Sozialarbeiter liegen.

 

Gründe für die Ablehnung einer BU

Dass der Antrag auf Berufsunfähigkeit nicht genehmigt wird und die private BU-Rente ausbleibt, hat vielfältige Gründe. Ein Hauptgrund ist der, dass der BU-Grad von 50 Prozent nicht erreicht wurde. Hinzu kommen Verletzungen der vorvertraglichen Anzeigepflicht, das heißt beispielsweise, dass bei der Gesundheitsprüfung relevante Daten verschwiegen wurden. Im anderen Fall kann der BU-Antrag unter Betrugsverdacht stehen.

 

Vorsicht ist geboten, wenn Versicherer in die Versicherungsbedingungen eine abstrakte Verweisbarkeit formuliert haben. Diese Klausel bedeutet nichts anderes, als dass Ihnen zugemutet wird, statt Ihres gelernten Berufs eine Tätigkeit – auch mit niedrigeren Anforderungen – zu übernehmen und deshalb berufstätig bleiben können. Ist dem so, springt die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht ein.

Aus welchen Gründen Versicherer einen BU-Antrag ablehnen

Quelle: Morgen & Morgen

 

Wie wird Berufsunfähigkeit festgestellt?

Eine eindeutige und allgemeingültige Erklärung für Berufsunfähigkeit kann es nicht geben. Vielmehr muss jeder einzelne Antrag vom BU-Versicherer immer individuell überprüft und entschieden werden. Wenn Sie Ihren Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente stellen, beginnt der Versicherer mit einer umfangreichen Prüfung. Hierzu zählen Ihre aktuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Wirkung auf Ihre bisher ausgeübte Tätigkeit. Außerdem wird auch überprüft, ob Sie beim Abschluss Ihrer BU vollständige und richtige Angaben gemacht haben und ob Leistungsausschlüsse zu beachten sind. Hier fallen mögliche Klauseln wie die abstrakte Verweisung ins Gewicht.

 

Um sich einen Überblick zu verschaffen, holen die sogenannten Leistungsprüfer Auskünfte und Unterlagen bei den Versicherten, Ärzten, Krankenkassen, der Rentenversicherung ein. Gibt es weiteren Klärungsbedarf, kann der BU-Versicherer den Versicherten zu einem Gutachter schicken. Erfahrungsgemäß kostet das Einholen aller erforderlichen Informationen bis zur Beauftragung eines Gutachters eine Menge an Bearbeitungszeit. So kann es mindestens mehrere Wochen bis Monate dauern, bis über die Berufsunfähigkeit abschließend geurteilt wird.

 

Fazit

Ob jemand berufsunfähig ist, muss immer im Einzelfall genauestens geprüft werden. Es gibt grundsätzliche Definitionen von BU, aber entscheidend sind die individuellen Umstände wie die Schwere der Einschränkung, der vorherige Beruf, das verbliebene Leistungsvermögen etc. Es lohnt sich als Versicherter darauf zu achten, wie die Vertragsbedingungen seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung formuliert sind. Findet sich hier zum Beispiel eine abstrakte Verweisung, kann der Versicherer zu dem Schluss kommen, dass Sie zwar nicht mehr in Ihrem bisherigen Job arbeiten können, aber eine andere Tätigkeit mit niedrigeren Anforderungen ausüben können und daher die BU-Rente verweigern.

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