Wer einen PKV-Vertrag abschließt, muss seine Gesundheitsdaten angeben. Wenn dabei Fehler unterlaufen, darf der Versicherer den Vertrag beenden. Wir erklären anhand der ARAG Krankenversicherung welche Möglichkeiten im Fall einer Kündigung durch den Versicherer bestehen. Erfahrungsbericht einer Vertragskündigung zur ARAG Krankenversicherung.
Warum nehmen wir die ARAG als Beispiel?
Aktuell häufen sich die Fälle, bei denen die ARAG PKV eine Vertragskündigung wegen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ausspricht. Vermutlich ist dieses Vorgehen eine Auswirkung aus dem starken Kundenwachstum der letzten Jahre. Die ARAG hat die Vertriebskosten mit Einführung neuer Tarife stark erhöht und erhält damit viel Kundenzulauf. Dieser Kundezulauf wird offensichtlich hart selektiert. Fehler bei den Antragsangaben führen dann zu einer Vertragsbeendigung.
Ein Blick auf die Betriebskennzahlen der ARAG lässt einiges vermuten. Ende 2020 wurden die neuen Tarife eingeführt und seitdem steigen die Abschlusskosten. Die ARAG kauft gerade ordentlich Kunden ein.
Werfen wir einen Blick auf die Gesundheitsfragen oder ARAG PKV. Alle Kunden müssen diesen Katalog ausfüllen.
Welche Gesundheitsfragen hat die ARAG Krankenversicherung?
Die Gesundheitsangaben sind im jeweilig gültigen PKV-Antrag zu finden. Aktuell gilt das Antragsformular 807 der ARAG und die Fragen sind wie folgt formuliert:
Wird eine Frage falsch beantwortet kann ein Problem auftreten. Jede Frage muss individuell gelesen und beantwortet werden. Beispiele:
- Frage 1 fragt unter anderem nach Körperimplantaten (damit sind zum Beispiel auch Brustimplantate gemeint) und Gesundheitsstörungen (darunter können sich aktuell behandlungsfreie chronische Dauerdiagnosen verstecken)
- Frage 2 fragt nach Kuren. Also auch Mutter- oder Vater-Kind-Kuren.
- Frage 9 fragt nach psychischen Erkrankungen. Und das rückwirkend für 10 Jahre. Das ist ein langer Zeitraum.
Bei der Antragstellung einer privaten Krankenversicherung werden oft Fehler bei den Abfragezeiträumen gemacht. Grundsätzlich gelten die Abfragezeiträume aus den Antragsfragen zum Antrags-stell-datum.
- Ambulante Behandlungen haben einen Fragezeitraum von drei Jahren.
- Stationäre Behandlungen haben eine Fragezeitraum von 5 Jahren
- Psychotherapeutische Behandlungen müssen aus den letzten 10 Jahren angeben werden.
Was passiert bei falschen oder fehlerhaften Antragsangaben?
Die Rechtslage ist eindeutig. Findet der Versicherer durch eingereichte Rechnungen Fehler in der Antragstellung, kann der Versicherer Maßnahmen ergreifen. Geregelt ist das Thema im §19 (Anzeigepflicht)des Versicherung Vertrags Gesetz (VVG). Damit die Rechtslage deutlich wird, kommentiere ich den Gesetzestext mit fetter und kursiver Schrift.
(1) 1Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung (der Antragstellung) die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.
Nach Antragstellung sind nur Angaben zu machen, wenn der Versichere noch mal danach fragt:
2Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.
Aus einer Verletzung der Antragsangaben kann ein Rücktritt oder Kündigung des Versicherers entstehen.
(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.
(3) 1Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. 2In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.
Der nächste Absatz ist wichtig: Der Versicherer darf den Vertrag nicht mit Kündigung oder Rücktritt beenden, wenn er das Risiko im Normalfall versichert hätte.
(4) 1Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. 2Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.
Auch wichtig: Wusste der Versicherer, z.B. durch Atteste von einer Diagnose, darf der Versicherer nicht kündigen oder zurücktreten.
(5) 1Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. 2Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer, den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.
Sonderkündigungsrecht für Sie:
(6) 1Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. 2Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.
Es gibt aber noch weitere Paragrafen, welchem im Zusammenhang zu sehen sind. Im § 22 VVG (Arglistige Täuschung) ist die arglistige Täuschung geregelt. Als arglistige Täuschung wird der Vorsatz bezeichnet. Damit haben Sie vorsätzlich, was der Versicherer beweisen muss, eine Angabe verschwiegen.
Der § 21 VVG regelt die Fristen, in der der Versicherer handeln darf (Ausübung der Rechte des Versicherers).
(1) 1Der Versicherer muss die ihm nach § 19 Abs. 2 bis 4 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. 2Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. 3Der Versicherer hat bei der Ausübung seiner Rechte die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung angeben, wenn für diese die Frist nach Satz 1 nicht verstrichen ist.
Eine Vertragskündigung beendet den Vertrag in die Zukunft. Bei einem Rücktritt versucht der Versicherer aus der Leistungspflicht zu kommen.
(2) 1Im Fall eines Rücktrittes nach § 19 Abs. 2 nach Eintritt des Versicherungsfalles ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht bezieht sich auf einen Umstand, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Wichtig: 2Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.
Die Frist für einen Rücktritt beträgt 5 Jahre. Für Vorsatz 10 Jahre.
(3) 1Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss; dies gilt nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist eingetreten sind. 2Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.
Haben Sie Fragen?
Sprechen Sie uns an. Wir beraten Sie gern. Jetzt kostenfrei informieren.
Wie entsteht ein Rücktrittsgrund in der PKV?
Interessant sind die Formulierungen der ARAG in einem Rücktrittsschreiben. Denn grundsätzlich gilt, dass ein Versicherer den Vertrag erhalten möchte. Allerdings wird ein Versicherer auch die Chance nutzen, wenn hohe Kosten drohen könnten, den Vertrag zu beendigen. Dazu den Originalwortlaut aus einem ARAG-Schreiben.
In diesem Fall hat die ARAG die Gesundheitshistorie geprüft, weil eine Diagnose abgerechnet wurde, welche wahrscheinlich schon vor Antragstellung bestanden haben könnte. Aus diesem Grund sollten die Antragsangaben immer ganz genau gemacht werden. Am besten nicht allein oder online ohne fachliche Unterstützung. Die ARAG schreibt:
Letztlich wurde eine vorsorglich durchgeführte Untersuchung zum Problem. Dabei ist rausgekommen, dass eine kleine Läsion im Gehirn besteht. Die ARAG ist vom Vertrag zurückgetreten. Und erinnern Sie sich bitte an die erste Gesundheitsfrage (es wurde nach Gesundheitsstörungen gefragt):
Kurzum die ARAG hat einiges gefunden und nutzt die Umstände, um vom Vertrag zurückzutreten.
Was ist bei einer Vertragskündigung oder Rücktritt zu tun?
In erster Linie ist schnell zu handeln und fachlicher Rat zu suchen. Es bringt wenig, den Vorgang an irgendwelche Anwälte zu geben. Denn es geht nicht um rechtliche Aspekte, sondern darum wie Sie möglichst schnell wieder Versicherungsschutz erhalten. Und dazu sind auch versicherungstechnische Themen im Blick zu haben. Dazu brauchen Sie vor allem Praxiserfahrung. Diese Praxiserfahrung ist bei spezialisierten Versicherungsberatern zu finden. Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter dürfen in diesem Fall nicht beratend zur Seite stehen. Es handelt sich hierbei um eine Rechtsberatung. Auch wir kooperieren an dieser Stelle mit einem spezialisierten Versicherungsberater.
Was ist zu tun? Wir nehmen Kontakt zum Versicherer auf und hören seine Seite. Unter anderem ist zu prüfen, ob der Versicherer eventuell Fristen versäumt hat. Oder ob bei der Antragstellung die Angaben doch irgendwo gemacht worden sind. Zusätzlich muss im Rahmen einen anonymen Risikovoranfrage der Versicherer überprüft werden, ob der Versicherer die Diagnose nicht doch versichern würde.
Und natürlich sollte alles relativ zügig passieren. Denn auf jeden Fall sind Sie jetzt erst mal ohne Krankenversicherung. Und das ist auch ein Kostenproblem für Sie. In Deutschland besteht nämlich eine Versicherungspflicht. Sie müssen eine Krankenversicherung nachweisen können. Können Sie das nicht, wird beim nächsten PKV-Abschluss eine Strafgebühr fällig. Diese Gebühr (genannt: Strafbeiträge) ist abhängig von der Höhe des neuen PKV-Beitrages und von der Dauer ohne Krankenversicherung. Sie haben also nicht nur keinen Schutz, sondern müssen dafür auch noch zahlen.
Können Sie nach einer Vertragsbeendigung in die GKV wechseln?
Nein, bedauerlicherweise nicht. Sie bleiben im PKV-System. Sollte Versicherungspflicht unter 55 eintreten könnte dies der Weg in die gesetzliche Krankenversicherung sein. Eine Mitgliedschaft auf Antrag ist jedoch nicht mehr möglich.
Können Sie nach einer Vertragsbeendigung in eine andere PKV wechseln?
Es kommt drauf an. Ein Basistarif ist immer möglich. Aber die erste Prüfung sollte immer sein, ob Sie nicht bei einem neuen Versicherer versicherbar sind. Denn die Alternative ist der Basistarif der PKV. Und in einem solchen Tarif müssen Sie versichert werden. Entsprechend wenig Leistungen bietet der Tarif. Die Lohnfortzahlung ist auch nur ein Mindestsatz. Im Endeffekt nur wenig Vorteile für einen hohen Beitrag. Aktuell kostet der Basistarif in der PKV inkl. Pflegepflichtversicherung knapp 1.000 Euro monatlich. Wichtig: Die ARAG bietet Ihnen einen Basistarif mehr an. Es muss also ein anderer Versicherer gewählt werden.
Welche Tipps können wir Ihnen bei einer ARAG-Vertragsbeendigung geben?
Bleiben Sie ruhig und suchen Sie sich Hilfe. Sammeln Sie alle Schreiben und mailen Sie uns an (info@kvoptimal.de). Sie können auch online einen ersten Beratungstermin (kostenfrei) buchen. Dazu diesen Link nutzen: KVoptimal.de GmbH (termininfo.net).
Die ARAG-Kundin konnten wir mit 34 Euro Risikozuschlag bei einem anderen Versicherer versichern.
Bin ich nach einer Vertragsbeendigung nicht mehr zu versichern?
Doch. Im schlimmsten Fall im Basistarif. Jeder Versicherer bewertet Diagnosen grundsätzlich unterschiedlich. Es gibt viele Versicherer und viele Möglichkeiten. Über Gruppentarife können zum Beispiel auch einzelne Leistungen wie Psychotherapie ausgeschlossen werden. Damit wären Sie dann doch zu normalen Konditionen versicherbar und schließen psychologische Leistungen für einen Zeit aus.
Kostet eine Erstberatung über KVoptimal.de Geld?
Nein. Sie können uns jederzeit über unsere kostenfreie Hotline anrufen (0800-9955511), anmailen oder einen Termin buchen. Wir helfen weiter und schätzen Ihren Vorgang ein. Hinweis: Sollten Beratungskosten anfallen, informieren wir Sie immer vorher.