Unabhängigkeit des Treuhänders – hat die PKV nichts vom BGH zu befürchten?

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Anja Glorius
13. Juli 2018

Unabhängigkeit  des Treuhänders – hat die PKV nichts vom BGH zu befürchten?

Am 01.06.2018 veröffentlichte die Fachzeitschrift Versicherungsrecht einen Aufsatz über die Prämienanpassung in der PKV zum Erfordernis einer teleologischen Reduktion des §203 Abs. 2 Satz 1 VVG. Auf neun Seiten legt der Herausgeber Prof. Dr. Manfred Wandt mit den Autoren Dr. Gogo Wiemer und David Richter. Alle Beteiligten mit einer mehr als herausragenden Reputation.

Nimmt man sich etwas Zeit und Hirnschmalz dazu, kann man sich auch als versierter Versicherungsmensch durch den Artikel ohne ein Jurastudium forsten. Empfehlen kann ich dazu Ruhe, Kaffee und Geduld.

Die Herren beschäftigen sich zurecht mit den aktuellen Urteilen des LG Berlin und LG Frankfurt Oder im Falle der Unwirksamkeit einer Beitragserhöhung (Prämienanpassung) wg. der Abhängigkeit des Treuhänders. Im Ergebnis würden die Versicherer erheblicher Belastung ausgesetzt, die Einhaltung des Äquivalenzprinzips und Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens gegenüber den Versicherten gefährdet, würde der BGH in der ausstehenden Entscheidung den Vorgerichten folgen.

Fangen wir mal langsam an. Worum geht es eigentlich im Grundsatz?

Ein Versicherter klagte gegen die AXA vorm Amtsgericht Potsdam im Jahr 2016. Dabei trug die Seite des Klagenden (Versicherten) vor, dass der Treuhänder nicht unabhängig wäre und dies in der Folge zur Unwirksamkeit der Prämienanpassungen in der Vergangenheit führen würde. Die AXA ging in der Folge in Revision und man betrachtete den Fall unter Bezugnahme einer neuen Beweisaufnahme vorm Landgericht Potsdam neu. Neu dabei ist, dass das Landgericht Potsdam zum selben Ergebnis kam und den Versicherer die AXA verpflichtete die Prämienerhöhungen zurückzuzahlen.
Das Landgericht Frankfurt Oder entschied nun im Januar 2018 ebenfalls für einen Versicherten gegenüber der DKV.

Warum gefährdet das Thema das Leistungsversprechen der PKV gegenüber den Versicherten?

Eine Beitragserhöhung wird grundsätzlich dann vorgenommen, wenn die Kosten der Versicherungsleistungen steigen. Dies subsumiert verschiedene Steigerungsfaktoren wie steigende Lebenserwartung, steigende Ausgaben, medizinischer Fortschritt und Rechnungszins. Es handelt sich dabei um eine einseitige Vertragsänderung. Daher sollte der Versicherte entsprechend abgesichert werden. Dies wird er durch die Aufsicht des Treuhänders und Formerfordernisse.
Würde der BGH der Auffassung der Urteile des Landgericht Potsdam und Landgericht Frankfurt Oder folgen, wären Versicherer dazu verpflichtet bei der Unabhängigkeit des Treuhänders verpflichtet die Prämie zurückzugewähren. Diese kann durch den Versicherer nicht durch eine neue Prämienanpassung nachgeholt werden. Es entsteht daher ein hoher Fehlbetrag, der anderweitig aus Mitteln aufgebracht werden muss. Betroffen wären Kunden, die den Weg der zivilgerichtlichen Vertretung wählen.

Warum halten die Autoren die Darlegung der Landgerichte Potsdam und Frankfurt/Oder für falsch?

Es wird fachlich detailliert dargestellt, dass der Gesetzgeber mit gesetzlichen Vorschriften einen Rahmen bildet, jedoch nicht jede Konstellation berücksichtigen kann. Daher werden in den gesetzlichen Vorschriften viele Sachverhalt subsumiert und damit geregelt. Den Gerichten kommt daher die Aufgabe zu, den Sinn des Gesetzes zu erfassen und entsprechend in Verfahren anzuwenden. Der Wille des Gesetzes soll im Ergebnis zur Geltung kommen. Die gesetzlichen Vorschriften weisen daher in Konstellationen Lücken auf, die zu schließen sind und „zu viel Vorschriften“, die korrigiert werden müssen.

 

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Was ist das Ziel der Vorschrift des §203 Abs. 2 VVG?

Der Versicherer soll die Möglichkeit haben, die steigenden Kosten der Versicherungsleistungen durch Prämienanpassungen zu korrigieren und damit das langfristig ausgelegte Leistungsversprechen gegenüber dem Kollektiv Rechnung zu tragen. Die Voraussetzungen bilden daher §155 VAG in Verbindung mit der Kalkulationverordnung. Sind die materiellen Voraussetzungen erfüllt, muss der Treuhänder der Anpassung zustimmen. Damit hat er keinen Ermessensspielraum. Im kommt im Falle des §213 Abs. 2 VVG die Funktion der Ausübung des Gesetzes zu. Sind die materiellen Voraussetzungen nicht erfüllt, muss er widersprechen.
Den Versicherten sollen drei nacheinander verlaufender Prozesse schützen:

  • Der Aktuar des Versicherungsunternehmens hat gemäß §156 VAG die materielle Voraussetzung herzustellen und damit die Grundlage für eine Prämienanpassung (steigend oder reduzierend) zu ermitteln.
  • Der unabhängig bestellte Treuhänder hat den ihm übergebenen Unterlagen entsprechend seiner Aufgabe zuzustimmen bzw. abzulehnen.
  • Durch die formale Vorgabe, dass der Versicherer die Gründe der Beitragserhöhung nachvollziehbar darzustellen hat, kommt dem Versicherten ebenfalls eine Prüfungsfunktion zu. Er hat dabei den Zugang zur zivilgerichtlichen Verfolgung und kann damit die materielle Voraussetzung prüfen.

Warum sind die erfolgten Urteile möglicherweise in Ihrer Entscheidung fehlerhaft?

Die Autoren erklären, dass die Gerichte der Gesamtschau der Beitragserhöhung und dessen Anforderung nicht ausreichend würdigten. So beschäftigten sie sich zwar mit dem Anforderungserfordernis der Unabhängigkeit des Treuhänders, haben jedoch den zu erfüllenden Zweck der gesetzlichen Vorschrift nicht ausreichend dargelegt und bedacht.
Denn die Autoren sind der Auffassung, dass der Unabhängigkeit des Treuhänders zwar erforderlich ist, aber durch die Vorschriften des Gesetzgebers bestimmt sind. Daher hat er, anders als bei der Bedingungsanpassung, keinen Ermessensspielraum. Er ist durch die Vorgabe in seine Zustimmung oder Ablehnung gezwungen.
Im Kern sagen die Autoren, dass bei der Beurteilung einer unwirksamen Prämienanpassung, die materielle Voraussetzung (also die rechnerische Darlegung) die Entscheidende ist.

Das Landgericht Berlin nahm zur Kritik der Autoren Stellung.

Der Urteilstext des Landgericht Berlin vom 10.01.2018 AZ 23 O 78/16 befasst sich mit der Kritik der Autoren in R+S 2017 404-406 zu dem Urteil des Amtsgerichts Potsdam. Das Landgericht nimmt die Voraussetzungen materiell, formell und die Unabhängigkeit des Treuhänders als kumulatives Erfordernis für eine wirksame Beitragserhöhung. Man deklariert neben der materiellen Voraussetzung die Mitteilungsverpflichtung und Unabhängigkeit des Treuhänders als hinzutretende Merkmale, die jedoch als Tatbestandsvoraussetzung erfüllt sein müssen. Weiterhin urteilt man, dass die materielle Anforderung als erfüllt nicht fehlende Voraussetzungen ausgleicht.

Wie geht es weiter?

Im Ergebnis bleibt es spannend. Verschiedene Juristen haben sich geäußert und vertreten unterschiedliche Ansichten. Es ist also eine kontroverse Diskussion entfacht, die es vom BGH aufzuklären gilt. Die vorgetragenen Argumente der Autoren erscheinen nachvollziehbar und sind weitreichend gestützt mit Urteilen des BGH und BVerwG. Allerdings bleibt als Versicherungsmakler und ggf. auch selbst Versicherten ein fader Beigeschmack. Wie soll man sich als Versicherter auf etwas verlassen können, das alleine durch die Finanzierung der Sache in seinem Sinn den Schutzzweck konterkariert. Will heißen ein unabhängiger Treuhänder, soll den Schutzzweck des Versicherten erfüllen, wird aber vom Versicherer finanziert.
Entscheidet der BGH gemäß der Autoren, wäre es auch weiterhin ein Freifahrtschein für Versicherer zur Handhabe mit einem unabhängig bestellten Treuhänder. Verlässlich bleibt dem Versicherten dann nur bei Zweifeln an der materiellen Voraussetzung der zivilgerichtliche Weg der Prüfung. Das ist kostspielig und kostet Nerven.

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